Zwischen Bewahren und Aufbruch

Unsere Gesellschaft verändert sich derzeit in einem Tempo, das unsere Anpassungsfähigkeit an ihre Grenzen bringt. Durch die Pandemie, neu erstarkte nationalistische Ideologien und die Kriege in der Ukraine und Palästina bilden sich gesellschaftliche Lager, die – dank der Vielfalt der Möglichkeiten der neuen Medien – nur noch in der jeweils eigenen Blase kommunizieren und das Gespräch mit Andersdenkenden vermeiden. Der Klimawandel zeigt sich in immer extremeren Wetterereignissen und zwingt uns, um Schlimmeres zu vermeiden, zur radikalen Veränderung unseres Lebensstils.

Auch in der Kirche stehen die Zeichen auf „Sturm“. Die Bindekraft der großen Institutionen nimmt ohnehin ab, dazu kommen der Generationenwechsel und die Skandale, die die Austrittszahlen auf erschreckende Rekordwerte anschwellen lassen. Durch die dadurch fehlenden Kirchensteuereinnahmen muss die Zahl der Gebäude drastisch reduziert werden, so dass landesweit Kirchen, Gemeindehäuser und Tagungszentren auf dem Prüfstand stehen. Gleichzeitig geht durch den „Pillenknick“, also die stark abnehmenden Geburtszahlen seit Mitte der 1960er Jahre, in den nächsten Jahren auch die Zahl der Pfarrer und Pfarrerinnen um fast die Hälfte zurück.

Unser Dekanat bleibt davor nicht verschont. Die ersten Stellenkürzungen mussten mit dem jetzt gültigen Landesstellenplan umgesetzt werden, und allen Beteiligten ist bewusst, dass in den nächsten 5 – 10 Jahren weitere Mitarbeitende wegfallen werden. Vor diesem Hintergrund haben die Kirchenvorstände unserer Region den Entschluss gefasst, nicht abzuwarten wie das Kaninchen vor der Schlange, sondern aktiv nach neuen Lösungen zu suchen: Durch die Pfarrei, die wir ab 1.7. gemeinsam bilden, wird die Verwaltung in einem gemeinsamen Pfarramt zusammengefasst und die Hauptamtlichen bilden ein Team, in dem die Aufgaben flexibel verteilt werden können. Gleichzeitig wollen wir uns zu neuen, gemeinsamen Vorhaben inspirieren lassen: Ob Weihnachtsoratorium oder Minigottesdienste, Konfirmandenkurs oder dieser Gemeindebrief: Vieles ist schon gewachsen und macht uns Mut zum Weiterdenken.

Die eigentliche Aufgabe dabei ist aber – wie bei allen Aufbrüchen im Leben – sorgfältig abzuwägen, wo es gilt, das Alte, Bewährte zu erhalten und wo der Aufbruch zu neuen Lösungen und Formen ansteht! Deshalb wird es weiterhin feste Seelsorgesprengel geben, damit nicht ein anonymes Pfarramt den Hilfesuchenden irgendeinen Pfarrer oder Pfarrerin schickt, sondern jeder weiß, wer für mich zuständig ist.

Und deshalb soll es auch nach der Neuwahl im Oktober nicht einen, sondern drei Kirchenvorstände geben, deren Mitglieder die Interessen und Sorgen der jeweiligen Gemeinde kennen. Unterstützen Sie die neuen Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen, die die große Verantwortung der Veränderungen in den nächsten sechs Jahren wahrnehmen wollen, durch Ihre Teilnahme an der Wahl!

Ihr Pfarrer
Florian Gruber